Der Betrieb elektrischer Anlagen - wer darf was?

20.04.2021 13:29

Vorwort

UnternehmerInnen und Unternehmer sind laufend mit dem Thema des sicheren Betriebs von elektrischen Anlagen konfrontiert. Mit dem Beschluss der CENELEC und der Übernahme in die nationale Norm wurde mit der ÖVE/ÖNORM EN 50110 eine entsprechende technische Basis für das sichere Arbeiten an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen erarbeitet. Doch für den sicheren Betrieb einer elektrischen Anlage ist die reine Kenntnisnahme dieser Norm nicht ausreichend. Neben dem Wissen der wesentlichen Inhalte dieser Norm, sind das Pflichtbewusstsein, das Anwenden von Körperschutzmittel, sowie die Erste-Hilfe und Brandbekämpfung bei Elektrounfällen von essenzieller Bedeutung. Da jedoch auch Wissen nicht starr ist und mit der Zeit verblasst, sind diese Punkte in regelmäßigen Abständen zu schulen.

Der Umfang jener Punkte, welche nach ÖVE 50110 zu beachten sind, sollte dabei nicht unterschätzt werden. Wer sich für eine entsprechende Schulung bekannter Institutionen interessiert, ist in der Regel mit einem 2-Tages Seminar konfrontiert. Dort sind jedoch meist die ebenfalls relevanten Punkte der Ersten-Hilfe (ÖVE 8351) und Brandbekämpfung (ÖVE 8350) von Elektrounfällen nicht inklusive.


Wer darf eigentlich was?

Die Darbietung allumfänglicher wesentlicher Inhalte eines solchen 2-Tages Seminars würde klar den Sinn und Rahmen dieses Beitrags sprengen. Insofern will ich mich mit diesem Beitrag auf einen wesentlichen Punkt dieses Themas konzentrieren: Die Zuständigkeiten einzelner Personen und wer darf eigentlich was? Dabei hat die Rollenverteilung im Unternehmen klar auf Basis der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erfolgen.

Der Anlagenbetreiber (ANB)

… ist jene Person mit der Gesamtverantwortung für den sicheren Betrieb der Anlage. Diese Person gibt die Regeln und Bedingungen in der Organisation vor. Sie ist meist Eigentümer, Unternehmer oder Vorstand oder als Anlagenbetreiber bestellt worden. Zu den Aufgaben des ANBs gehört es u.a. die Inspektions-, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten zu veranlassen. Der ANB muss nicht Elektrofachkraft sein. In diesem Fall ist jedoch eine entsprechende Fachkraft mit den entstehenden Rechten und Pflichten zu beauftragen.
Wichtig ist jedoch dabei, dass der ANB seine Verantwortung jederzeit „24/7“ bis zu seiner Abberufung trägt.


Der Anlagenverantwortliche (ANV)

… ist beauftragt während der Durchführung von Arbeiten die unmittelbare Verantwortung für den sicheren Betrieb der Anlage zu tragen. Der Anlagenverantwortliche hat in einer Gefährdungsbeurteilung die möglichen Auswirkungen der Arbeiten auf die elektrische Anlage oder die Teile davon, die in seiner Verantwortung stehen sowie die Auswirkungen der elektrischen Anlage auf die Arbeitsstelle und die arbeitenden Personen zu beurteilen. Des Weiteren erteilt der ANV die Durchführungserlaubnis.
Bei großen Anlagen kann die Verantwortung auf einzelne Bereiche und ANV aufgeteilt werden.

Der Arbeitsverantwortliche (ABV)

… trägt die unmittelbare Verantwortung für die Durchführung von Arbeiten an der Arbeitsstelle. Der ABV kann erforderlichenfalls Teile mit dieser Verantwortung einhergehenden Verpflichtungen auf andere Personen übertragen.
In Abhängigkeit von der Tätigkeit und dessen elektrischen Gefahrenpotentials ist mindestens 1 elektrotechnisch unterwiesene Person einzusetzen.

Die elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP)

… wurde so unterrichtet, dass diese Person die Gefahren der Elektrizität erkennen und vermeiden kann. Erfordert die Qualifikation zur EuP lediglich Kenntnis über einfache Unterweisungsinhalte wie z.B. die einzuhaltenden Abstände zu elektrischen Anlagen (Annäherungszone - Dv), so kann in diesem Fall die Unterweisung von einer EuP durchgeführt werden.
Es wird die schriftliche Aufzeichnung einer entsprechenden Unterweisung empfohlen. Außerdem sollten aus der Aufzeichnung mindestens folgende Inhalte hervorgehen:

  1. Firma, Name, eventuell auch innerbetriebliche Funktion der unterwiesenen Person
  2. Name und Unterschrift der unterweisenden Elektrofachkraft und der unterwiesenen Person
  3. Datum der Unterweisung
  4. Angabe der elektrotechnischen Tätigkeiten und der elektrotechnischen Anlagen des Betriebes, für die die unterwiesene Person zur elektrotechnisch unterwiesenen Person wurde
  5. Inhalt der Unterweisung


Dabei sollte eine Unterweisung mindestens beinhalten:

  • Spezielle Gefahren und konkrete betriebliche Risiken bei der unterwiesenen Tätigkeit sowie deren Vermeidung, basierend auf den beizulegenden Unterlagen zur Unterweisung (z.B. individuelle Unterlagen des Betriebs, ÖVE-Bestimmungen, einschlägige Merkblätter)
  • allgemeine Gefahren des elektrischen Stroms, Sicherheitsregeln, Erste Hilfe-Maßnahmen bei Elektrounfällen
  • allenfalls notwendige persönliche Schutzausrüstung, Hilfsmittel, Spezialwerkzeug, etc.
  • eine Bestätigung darüber, dass die unterwiesene Person den Inhalt der Unterweisung verstanden und unter Aufsicht der unterweisen-den Elektrofachkraft praktisch durchgeführt hat


Die Praxis zeigt auch, dass eine solche Unterweisung bestenfalls mindestens in Form eines 6-Augen-Gesprächs durchgeführt wird.  Außerdem sei auf ausländische Arbeitskräfte hingewiesen, welche Deutsch nicht als Muttersprache haben. Hier ist es unerlässlich sicherzustellen, dass diese den Unterweisungsinhalt auch aufgrund sprachlicher Barrieren verstanden haben.

Die EuP hat hinsichtlich der ausführenden Tätigkeiten den Anordnungen und Weisungen seines Vorgesetzten folge zu leisten!

Die Elektrofachkraft

… besitzt eine entsprechende Ausbildung, Kenntnis und Erfahrung, so dass sie selbstständig Gefahren der Elektrizität erkennen und vermeiden kann.


Personen, welche weder Elektrofachkraft sind und auch nicht hinsichtlich der Gefahren der Elektrizität unterwiesen wurden, sind als elektrotechnische Laien anzusehen!

Ein elektrotechnischer Laie darf…

  • … einen abgeschlossenen elektrischen Betriebsraum nur unter der Aufsicht einer EuP betreten.
  • … offensichtliche Mängel an Geräten feststellen.
  • … Lampen, Zubehör und Schraubsicherungen bis 63A tauschen (NH-Sicherungen nur unter besonderen Voraussetzungen)
  • … die FI-Prüftaste betätigen.
  • … elektrische Anlagen im Gefahrenfall abschalten (Unfall, Brand oder Explosion).

Ein elektrotechnischer Laie darf auf keinen Fall die Spannungsfreiheit prüfen, Geräte reparieren, Schalter und Steckdosen reparieren, Einstellungen an Schutzeinrichtungen verändern, sowie Arbeiten an elektrischen Maschinen, Geräten und Anlagen verrichten (außer diese Tätigkeiten sind durch die Bedienungsanleitung ausdrücklich für Laien vorgesehen).


Eine elektrotechnisch unterwiesene Person darf…

  • … auf Spannungsfreiheit prüfen
  • … Geräte, Schalter und Steckdosen reparieren
  • … Arbeiten an elektrischen Maschinen, Geräten und Anlagen verrichten
  • usw.

Sämtliche Tätigkeiten von der EuP dürfen allerdings nur unter der Verantwortung, Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft durchgeführt werden.

Keinesfalls darf eine EuP mit der Aufsicht eines Laien bei Messungen und Erprobungen beauftragt werden. Ebenso darf eine EuP nicht mit der Prüfung von Elektroanlagen beauftragt werden.


Lehrlingen…

… ist das Arbeiten unter Spannung nur stark eingeschränkt erlaubt, gemäß KJBG §7 Z9. Tätigkeiten bei Anlagen mit einer Nennspannung über 25VAC oder 60VDC sind für Lehrlinge verboten.
Ausgenommen ist nur das Messen elektrischer Größen, sofern die Anlage mit einem 30mA-FI geschützt ist, die Ausbildung des Lehrlings mindestens 18 Monate beträgt und die Tätigkeit unter entsprechender Aufsicht erfolgt.   
Vorgesetzte tragen die Verantwortung  für die Sicherheit der Lehrlinge!

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